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Eigenmietwert bei leerstehenden Immobilien: Ein Fall aus der Praxis

Ein Immobilienbesitzer hat infolge eines Erbes das Eigentum an einer Attikawohnung erlangt. Für die leerstehende Attikawohnung hat das Steueramt die Besteuerung des Eigenmietwerts erhoben. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie das Bundesgericht im Praxisfall zum Thema Eigenmietwert bei leerstehenden Immobilien entschieden hat.

Eigenmietwert leerstehendes Objekt

 

Einführung: Was ist Eigenmietwert?
Wer in einer selbstbewohnten Immobilie lebt, muss den sogenannten Eigenmietwert als Einkommen versteuern. Dieses Einkommen wird zwar nicht real erzielt, ist jedoch ein theoretisch erzielbarer Mietwert. Diese Steuer wird aufgrund des solidarischen Steuersystems in der Schweiz erhoben. Bei Fragen rund um den Eigenmietwert steht Ihnen unser erfahrener Jurist zur Verfügung.

Muss der Eigenmietwert bei leerstehenden Immobilien versteuert werden?

In unserem Praxisfall erlangt ein Immobilieneigentümer den Besitz an einer Attikawohnung durch Erbfolge. Zu diesem Zeitpunkt besitzt er ausserdem bereits selbstbewohntes Wohneigentum sowie eine Ferienwohnung. Für die leerstehende Attikawohnung hat das Steueramt einen Eigenmietwert in der Höhe von CHF 12'262.00 aufgerechnet, worauf der Eigentümer Einsprache erhoben hat. Die Einsprache wurde vom Steueramt abgewiesen. Auch das erstinstanzliche Gericht wies den Rekurs des Steuerpflichtigen ab. Das Kantonsgericht hiess hingegen die Beschwerde gut und setzte das steuerbare Einkommen des Eigentümers um den Eigenmietwert der Attikawohnung herab. Allerdings gab sich die Steuerverwaltung mit diesem Entscheid nicht zufrieden und zog den Fall weiter ans Bundesgericht. 

 

Wurden im Praxisfall Beweise willkürlich gewürdigt?

Die Steuerbehörde beanstandet, dass das Kantonsgericht den verfassungsmässigen Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie die bundesrechtlich vorgeschriebene Besteuerung des Eigenmietwerts verletzt habe. Dabei habe das Kantonsgericht die vorliegenden Beweise in willkürlicher Weise falsch gewürdigt und dadurch Bundesrecht verletzt. Insbesondere habe sie trotz offensichtlich mangelndem Nachweis von steuermildernden Tatsachen einen Verkaufswillen des Eigentümers antizipiert, obwohl keinerlei Verkaufsbemühungen nachgewiesen seien.

 

Defekte Wasserleitung als Grund für Steuererlass?

Der Erbe und Eigentümer ist der Ansicht, dass er einerseits ernsthafte Verkaufsbemühungen während der Steuerperiode tätigte und andererseits die Wohnung wegen der defekten Wasserleitung nicht habe nutzen können. Bei der Staats- und der direkten Bundessteuer ist der Mietwert von Liegenschaften steuerbar, soweit sie dem Pflichtigen aufgrund von Eigentum oder aufgrund eines unentgeltlichen Nutzungsrechts für den Eigengebrauch zur Verfügung stehen. Ein solcher steuerlich relevanter Eigengebrauch ist dann nicht gegeben, wenn eine Liegenschaft aufgrund von objektiven, äusseren Umständen nicht benutzt werden kann. Gleich verhält es sich, wenn ein Objekt leer steht, weil es trotz entsprechender Absicht und ernsthafter Bemühungen nicht vermietet oder verkauft werden kann. Demgegenüber ist selbst dann ein steuerrechtlich massgebender Eigengebrauch anzunehmen, wenn ein Eigentümer die Liegenschaft zwar nicht tatsächlich bewohnt, sich aber das Recht hierzu vorbehält, ohne es auszuüben. Auch in einem solchen Fall hat er die Liegenschaft inne, weil er sie jederzeit beziehen kann.


Damit keine Steuer fällig wird, ist eine ernsthafte Verkaufsabsicht nötig

Die Steuerverwaltung hat den Beschwerdegegner darauf hingewiesen, dass die Verkaufsbemühungen klar nachzuweisen seien. Ansonsten könnte nicht auf die Besteuerung des Eigenmietwerts verzichtet werden. Der steuerpflichtige Immobilienbesitzer hat eine E-Mail eingereicht, in der die Wohnung einem Kaufinteressierten beschrieben wurde. Gestützt darauf, zog die Vorinstanz den Schluss, dass die eingereichte E-Mail den strengen Anforderungen der Rechtsprechung genüge und kein Eigengebrauch der Attikawohnung bestehe. Das Bundesgericht hat die Schlussfolgerungen der Vorinstanz als nicht haltbar bezeichnet. Aus einer einzelnen E-Mail könne nicht gefolgert werden, dass eine eindeutige, ernsthaft verfolgte und klar belegte Verkaufsabsicht bestehe. Dies auch deshalb, da in der E-Mail aufgeführt wurde, dass der Steuerpflichtige momentan gar nicht gewillt sei, die Wohnung potentiellen Käufern zu zeigen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt, dass ein Verkaufswille nicht nur vorhanden, sondern auch die Verkaufsbemühungen belegt sein müssen. Eine Verkaufsdokumentation, verbunden mit einigen Besichtigungen oder ein Maklerauftrag wären ausreichend, um die Verkaufsbemühungen zu dokumentieren. Betreffend der defekten Wasserleitung führte das Bundesgericht aus, dass nicht jeder Mangel ausreicht, um eine Wohnung unbenutzbar zu machen. Es wäre notwendig nachzuweisen, dass die Wohnung dauerhaft nicht mehr für die bestimmungsgemässe Nutzung brauchbar ist. Ein defekter Hauptwasserhahn erfülle diese Voraussetzung nicht, selbst wenn für die Reparatur eine Wand mit Fliessbelag hätte aufgespitzt werden müssen. Aus den genannten Gründen hat der Eigentümer die Steuer auf den Eigenmietwert der Attikawohnung zu entrichten.


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