Fachartikel

Kündigung des Verwaltungsvertrags durch Stockwerkeigentümer: Ein Fall aus der Praxis

Ein bestehender Verwaltungsvertrag einer Stockwerkeigentümergemeinschaft kann grundsätzlich jederzeit durch Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung gekündigt werden. Kommt es bei einem Antrag auf Abberufung der Verwaltung zu einer Ablehnung durch die Versammlung, so kann jede/r Stockwerkeigentümer/in die gerichtliche Abberufung verlangen, sofern wichtige Gründe vorliegen. Erfahren Sie im neusten Blog-Beitrag unseres Rechtsberaters lic. iur. C. Zumbühl, wie das Bundesgericht in einem Praxisfall entschieden hat.

rechtsberatung-hev

Der Sachverhalt: Auflösung eines Verwaltungsvertrags

An einer ordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung mit drei Eigentümern beantragte ein Stockwerkeigentümer die Abberufung der Verwaltung (Kündigung des bestehenden Bewirtschaftungsvertrags). Die Gemeinschaft stimmte dagegen und verweigerte die Auflösung des Verwaltungsvertrags. Der Entscheid wurde bis vor Bundesgericht angefochten, welches die Beschwerde jedoch abwies.

 

Grundsätzlich kann die Immobilienverwaltung einer Stockwerkeigentümergemeinschaft jederzeit durch Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung abberufen werden. Vorbehalten bleiben allfällige Entschädigungsansprüche (Art. 712r Abs. 1 ZGB). Lehnt die Versammlung der Stockwerkeigentümer den Antrag zur Abberufung der Liegenschaftsverwaltung unter Missachtung wichtiger Gründe ab, so kann jede/r Stockwerkeigentümer/in die gerichtliche Abberufung verlangen (Art. 712r Abs. 2 ZGB).

 

 

Welche Gründe sprechen für eine Vertragsauflösung? 

Wichtige Gründe, welche ein Vorgehen eines einzelnen Stockwerkeigentümers legitimieren, liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn einem/r Stockwerkeigentümer/in die Fortsetzung des Verwaltungsverhältnisses nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann. Dies, weil das dem Rechtsverhältnis immanente Vertrauensverhältnis fehlt bzw. zerstört worden ist. Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund vorliegt, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Art. 4 ZGB). Es geht dabei um eine Billigkeitsentscheidung, die auf objektiver Interessenabwägung beruht, nicht aber auf dem subjektiven Empfinden des klagenden Stockwerkeigentümers. Derartige Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht frei. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig oder als in stossender Weise ungerecht erweisen.

 

 

Der Entscheid vom Kantons- und Bundesgericht: Keine schwere Pflichtwidrigkeiten festgestellt

Das Kantonsgericht hat die zahlreichen Vorwürfe des Beschwerdeführers geprüft und die Mehrzahl derselben entweder als unbewiesen erachtet oder nicht als schwere  Pflichtwidrigkeiten qualifiziert. Im Ergebnis blieben drei Vorwürfe übrig, welche das Gericht als Pflichtwidrigkeiten einstufte. So habe der Verwalter dem Beschwerdeführer nicht rechtzeitig Einsicht in die Jahresrechnung 2016 gewährt, zu Unrecht einen eingeschriebenen Brief des Beschwerdeführers nicht abgeholt und die Mieterschaft nicht abgemahnt, keine Gegenstände im Treppenhaus zu lagern. Das Gericht beurteilte diese Umstände wie folgt: Die festgestellten Pflichtwidrigkeiten seien einzeln und je für sich alleine betrachtet nicht schwer. Sie wögen auch in ihrer Summe nicht derart, dass dem Beschwerdeführer die Fortführung des Verwaltungsverhältnisses nach Treu und Glauben nicht mehr zumutbar wäre. Es möge zwar zutreffen, dass der Verwalter zuweilen unbeholfen handle. Eine eigentliche Überforderung liege dennoch nicht vor.

Das Bundesgericht setzte sich mit der Argumentation des Kantonsgerichts auseinander und bestätigte die Sichtweise des Kantonsgerichts. Dass das Kantonsgericht sein Ermessen über- bzw. unterschritten haben soll, behauptete der Beschwerdeführer gar nicht erst. Aus diesem Grund bestätigte das Bundesgericht, dass eine Absetzung des Immobilienverwalters in diesem Fall nicht gerechtfertigt und somit die Fortführung des Vertragsverhältnisses nach Treu und Glaube weiterhin möglich sei.  

 

Sie haben Fragen zu rechtlichen oder steuerlichen Themen rund um die Immobilie? Kontaktieren Sie unsere Rechtsberatung unter 071 227 42 44 oder info@hevsg.ch

Erfasst | Quelle:

Zurück