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Mietkündigung bei Umbauprojekt: Ein Fall aus der Praxis

Die ordentliche Kündigung eines Mietvertrags setzt keine besonderen Kündigungsgründe voraus. Mieter und Vermieter sind grundsätzlich frei, das Mietverhältnis zu kündigen. Einzige Schranke bildet der Grundsatz von Treu und Glauben. Doch wann gilt dieser? Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie sich das Bundesgericht in einem Praxisfall entschieden hat.

Eigenmietwert leerstehendes Objekt

Der Sachverhalt: Mietkündigung bei Umbauprojekten

1983 mietete ein Bewohner eine 3-Zimmerwohnung in Zürich. Der Vermieter kündigte Ende 2017 den Vertrag mit einem Begleitbrief auf Frühjahr 2019. Im Begleitschreiben wurde mitgeteilt, dass eine umfassende Sanierung der Liegenschaft notwendig sei, damit die Gebäudesubstanz sowie die technische Infrastruktur an die heutigen Anforderungen angepasst werden könnten. Aufgrund des Ausmasses der Eingriffe in die Bausubstanz und weil die Strom- und Wasserzufuhr teilweise unterbrochen werden müsse, seien diese Arbeiten im bewohnten Zustand nicht möglich. Der Mieter erhob Einsprache und beantragte, die Kündigung für ungültig zu erklären, eventualiter sei das Mietverhältnis um zwei Jahre zu erstrecken. Mangels Einigung gelangte der Mieter an die nächsten Instanzen, welche die Klage des Mieters abwiesen, da die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben verstossen habe. Schliesslich gelangte der Mieter ans Bundesgericht. Umstritten ist die Gültigkeit der Kündigung. Strittig ist, ob der Vermieter zum Zeitpunkt der Kündigung über ein genügend konkretes, umsetzbares und realitätsnahes Projekt verfügte.

 

Wann gilt ein Mietertrag als übersetzt?

Das Bundesgericht bestätigte den Anspruch des Mieters, den Anfangsmietzins nach Art. 270a OR als missbräuchlich anfechten zu können. Gemäss Art. 269 OR ist ein Mietzins missbräuchlich, wenn er dem Vermieter ermöglicht, einen übersetzten Ertrag aus dem Mietobjekt zu erzielen. Gemäss Art. 269a OR wird vermutet, dass der Mietzins nicht missbräuchlich ist, wenn er im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegt. Bei der Abklärung der Missbräuchlichkeit wird überprüft, ob der Mietzins dem Vermieter angesichts der von ihm zu tragenden Kosten oder der marktüblichen Mietzinse keine übermässige Rendite verschafft. Bei der Anwendung dieser Methode sind im vorliegenden Fall die beiden Kriterien «Nettorendite» und «Orts- und Quartierüblichkeit» widersprüchlich, weshalb sie sich gegenseitig ausschliessen. Das Kriterium der Nettorendite basiert auf dem Nettoertrag des investierten Eigenkapitals. Der Mietzins muss eine angemessene Rendite im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital ermöglichen und gleichzeitig die Kosten decken. Der orts- und quartierübliche Mietzins orientiert sich an den Marktmietzinsen.

 

Kündigung gegen Treu und Glauben

Die ordentliche Kündigung eines Mietvertrags setzt keine besonderen Kündigungsgründe voraus. Mieter und Vermieter sind grundsätzlich frei, das Mietverhältnis zu kündigen. Einzige Schranke bildet der Grundsatz von Treu und Glauben. Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen diesen Grundsatz verstösst. Allgemein gilt eine Kündigung als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Der Umstand, dass die Kündigung für den Mieter eine Härte darstellt, genügt nicht; eine solche ist nur im Hinblick auf eine Erstreckung des Mietverhältnisses relevant. Ob eine Kündigung gegen Treu und Glauben verstösst, beurteilt sich im Zeitpunkt, in dem sie ausgesprochen wird. Umstände, die sich erst nach diesem Zeitpunkt ereignen, können eine ursprünglich zulässige Kündigung nicht im Nachhinein zu einer missbräuchlichen machen. 

 

Nutzung eines Mietobjekts während Sanierungsarbeiten

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung verstösst eine Kündigung im Hinblick auf Umbau- oder Sanierungsarbeiten, die eine Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich einschränken, nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Werden die geplanten Arbeiten hingegen nicht oder nur unerheblich erschwert oder verzögert, besteht kein schützenswerter Grund für den Vermieter, dennoch zu kündigen. Missbräuchlich ist eine solche Kündigung auch, wenn das Projekt als nicht realitätsnah oder objektiv unmöglich erscheint, z.B. weil es offensichtlich mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist, sodass der Vermieter die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erhalten wird. Dass der Vermieter bereits die nötigen Bewilligungen erhalten oder die hierzu erforderlichen Dokumente hinterlegt hat, ist für eine Gültigkeit der Kündigung nicht vorausgesetzt. 

 

Bedingungen für die Räumung des Mietobjekts

Die Gültigkeit der Kündigung setzt voraus, dass bereits im Zeitpunkt der Kündigung ein genügend ausgereiftes / ausgearbeitetes Projekt vorliegt, aufgrund dessen abgeschätzt werden kann, ob die geplanten Arbeiten eine Räumung des Mietobjekts erforderlich machen. Erfolgt eine Kündigung im Hinblick auf ein Projekt, das noch nicht so weit fortgeschritten ist, um diese Frage gestützt auf den Stand des Projekts im Zeitpunkt der Kündigung beurteilen zu können, verstösst sie gegen Treu und Glauben. Das Interesse des Vermieters, die Mietverhältnisse aufzulösen, um die Arbeiten rasch zu erledigen, anstatt eine längerdauernde Renovationsphase in Kauf zu nehmen, ist legitim.  Ob der Verbleib des Mieters während der Sanierung für den Vermieter zumutbar wäre, spielt keine Rolle. Alle Instanzen bis inkl. Bundesgericht beurteilten die Kündigung als gültig. Das Projekt sei ausgereift gewesen. Dazu brauche es weder spezielle Vorprojekte mit Laservermessungen noch Baueingabepläne.

 

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