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Mietrecht: Mängelrüge nach vorzeitiger Rückgabe des Mietobjekts

Welche Fristen sieht das Mietrecht bei Mängelrügen vor? Ein Fall aus der Praxis der HEV Rechtsberatung beleuchtet einen Gerichtsentscheid.

Rechtsberatung Mietvertrag

 

Ein Praxisfall aus dem Mietrecht

Ein Mieter mietete Geschäftsräumlichkeiten mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten. Das Mietverhältnis konnte erstmals auf Ende März, 31.3.2017 gekündigt werden. Der Mieter wollte das Mietobjekt vorzeitig verlassen und stellte per Ende Februar 2016 einen Ersatzmieter. Der Vermieter verweigerte seine Zustimmung mangels Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters. Ende April 2016 bestätigte der Mieter seine Absicht der vorzeitigen Vertragsauflösung und erklärte, dass er sich per 1.6.2016 von allen Verpflichtungen befreit fühle. Er schlug vor, per 31.5.2016 ein Rückgabeprotokoll aufzunehmen, da er ansonsten einfach die Schlüssel zurückgeben werde. Da der Vermieter mit dem Vorgehen des Mieters nicht einverstanden war, räumte der Mieter am 31.5.2016 das Objekt und sandte die Schlüssel mit eingeschriebener Briefpost der Liegenschaftsverwaltung zurück. Im August 2016 besichtigten die Parteien das Mietobjekt. Über den Zustand des Objekts wurde ein Protokoll erstellt, welches vom Mieter nicht unterzeichnet wurde. Per 1.10.2016 konnte das Mietobjekt weiter vermietet werden. In der Folge stellte der Vermieter dem Mieter die Mieterschäden in Rechnung. Der Mieter verweigerte die Zahlung. Der Vermieter leitete die Forderung an die Schlichtungsstelle weiter, da nach seiner Ansicht das Mietrecht verletzt wurde. An der Verhandlung kam keine Einigung zustande, weshalb der Vermieter die Forderung beim Gericht einklagte und die Rechtsberatung des HEV St. Gallen um rechtliche Prüfung der Angelegenheit bat.

Gesetzliche Grundlagen aus dem Mietrecht

Der Vermieter stellte sich auf den Standpunkt, dass die Mietsache durch das Zurückschicken der Schlüssel nicht zurückgegeben worden sei, was den Fristenlauf zur Prüfung der Mietsache laut Mietrecht nicht ausgelöst habe. Nach Art. 267 OR muss der Mieter die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Nach Lehre und Rechtsprechung erfolgt die Rückgabe durch die Übergabe der Mietsache selbst oder der Schlüssel, die dem Vermieter die Verfügungsmacht darüber verschaffen. Der Mieter muss sämtliche Schlüssel zurückgeben, inklusive Doppel, die er nachmachen liess. Verletzt der Mieter seine Pflicht, die Mietsache vollständig zu räumen und die Schlüssel zurückzugeben, schuldet er Schadenersatz wegen Vertragsverletzung (Art. 97 OR). Dazu gehören auch Reinigungs- und Räumungskosten. Bei einer vorzeitigen Rückgabe der Mietsache nach Art. 264 OR muss der Mieter gegenüber dem Vermieter klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, die Mietsache vorzeitig zurückgeben zu wollen. Die Rückgabe muss sodann tatsächlich erfolgen und zwar vollständig und endgültig.


Erwägungen des Gerichts

Das zuständige Gericht hat aus der Räumung des Objekts und der Rückgabe der Schlüssel die tatsächliche und endgültige Rückgabe festgestellt. Das Gericht befand, dass die Mietsache mit der Rückgabe der Schlüssel am 31.5.2016 definitiv zurückgegeben wurde. Aus diesem Grund hätte der Vermieter den Zustand der Räumlichkeiten prüfen und allfällige Mängel dem Mieter anzeigen sollen. Gemäss Art. 267a OR hat der Vermieter den Zustand der Sache bei der Rückgabe zu prüfen und Mängel, für die der Mieter aufzukommen hat, diesem sofort zu melden. Das Gericht verwies auf Lehre und Rechtsprechung, wonach «sofort» innerhalb von zwei oder drei Werktage nach Rückgabe entspreche. Zudem verwies es auf einzelne Literaturmeinungen mit maximaler Rügefrist von einer Woche. Im vorliegenden Fall ging das Gericht von der Rückgabe der Räume am 31.5.2016 aus. Das Protokoll wurde am 9.8.2016 ausgefüllt, jedoch vom Mieter nicht unterzeichnet, weshalb der Vermieter danach dem Mieter das Protokoll per Post zustellte. Das Gericht erachtete die Zustellung des Abnahmeprotokolls gemäss Mietrecht als Mängelrüge. In Bezug auf die Rückgabe des Mietobjekts am 31.5.2016 erachtete das Gericht die Mängelrüge anfangs August als klar zu spät. Das Treffen für die Bestandesaufnahme, dem der Mieter zustimmte, hat das Gericht nicht als Verzicht auf die Einrede der verspäteten Prüfung und Mängelrüge anerkannt. Aus diesem Grund hat das Gericht die Klage des Vermieters wegen Schadenersatz für die Wiederherstellung der Mängel abgewiesen.


Waren auch Sie als Vermieter schon in einer ähnlichen Situation? Lic. iur. Cyrill Zumbühl der Rechtsberatung des HEV St. Gallen unterstützt Sie gerne in einem solchen Prozess.

Hotline für HEV-Mitglieder 071 227 42 44 (09:00 - 11.45 Uhr)
Hotline für Nicht-Mitglieder 0900 227 444 (CHF 3.80/Min.)

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